Peter Schmidt im Interview
Die Zukunft von Führung
ist menschlich.
Peter Schmidt war selbst lange Führungskraft und kennt „den inneren Prozess“ aus eigener Erfahrung. Seit 22 Jahren begleitet er Teams und Führungskräfte als Sparringspartner durch Transformationsprozesse.
Peter, du kennst sowohl die Konzernseite als auch die Seite des Coaches aus eigener Erfahrung. Was hast du aus deiner Zeit als Führungskraft im Marketing eines Healthcare Konzerns mitgenommen?
Mir war lange Zeit als Führungskraft gar nicht bewusst, wie ich führe. Erst eine 360° Führungsstilanalyse förderte einige spannende Insights zu Tage. Wie führe ich eigentlich wirklich? Wie werde ich wahrgenommen? Fühle ich mich wohl in meiner Rolle?
Häufig gibt es da eher so ein Gefühl von „Nicht-Stimmigkeit“. Wir gehen über unsere eigene Wahrnehmung gerne hinweg und hinterfragen vielleicht gar nicht, ob es gerade menschlich zugeht im Unternehmen. Natürlich gibt es immer Inseln oder Abteilungen, wo genau das der Fall ist. Dort, wo die Mitarbeiterbefragungen immer wieder aufs Neue positiv ausfallen. Davon könnten andere Unternehmensbereiche profitieren. Es gibt häufig genügend Beispiele im eigenen Unternehmen für ausgezeichnete menschliche Führung.
Was verstehst du unter menschlicher Führung?
Ich denke es gibt eine tiefe Sehnsucht von Mitarbeitern nach einer Führung, die ihnen als Mensch begegnet. Ich bin überzeugt, die große Mehrheit der Führungskräfte möchte ebenfalls Anerkennung als Mensch bei den Mitarbeitern finden. Wie begegne ich aber dann als Führungskraft den Mitarbeitern? Was braucht es, um Mitarbeitern menschlich zu begegnen?Warum tun wir uns so schwer mit menschlicher Führung?
In vielen Change- und Transformationsprozessen spielt der Mensch eine nachgelagerte Rolle. Es gibt so viele Change-Handbooks und Playbooks mit Tools und Übungen. Aber die zentrale Frage scheint niemand so wirklich zu stellen. Wer kümmert sich eigentlich um mich als Führungskraft? Wo stehe ich in diesem Transformationsprozess? Ich muss das können, denn ich bin ja Führungskraft. Ich muss Ergebnisse liefern, KPI’s erfüllen etc. Wie geht das menschlich?
Damit kein Missverständnis aufkommt: Menschlich heißt nicht, alles ist smooth, alles ist ok und kuschelig etc. … ganz und gar nicht. Es gilt schwierige Entscheidungen zu fällen, aber die Art und Weise, wie wir diese Entscheidungen fällen und wie wir Menschen Mut machen neue Wege zu gehen, das wird die zukünftige Aufgabe von Führungskräften sein. Wie wollen wir als Organisation den Menschen dienen und der Gesellschaft einen Beitrag liefern?
Menschlich heißt nicht, alles ist smooth, alles ist ok und kuschelig.
Peter Schmidt
Wo siehst du Ansatzpunkte für menschliche Führung?
In Zeiten der digitalen Transformation fühlen sich viele Führungskräfte unsicher. Die Welt ist voller Disruptionen und dramatischer Veränderungen, sei es beim Klima, in Sachen Nachhaltigkeit oder in der Gesundheit. Dieser Grad der Veränderung ist für uns alle neu, die Qualität ist Neuland für die meisten von uns.
Transformation fängt aber auch in diesen Zeiten zuallererst bei mir selbst als Führungskraft an: Der bewusste Umgang mit Angst, Selbstzweifeln, limitierenden Annahmen und Konzepten ist eine zentrale Kompetenz von Führungskräften. Ich unterstütze Menschen bei ihrem „Inner Game“, um sicherer im Umgang mit den Herausforderungen umzugehen, die sie aktuell meistern müssen und die noch vor ihnen liegen.
Es gibt bestimmt Themen und Eigenschaften – wie zum Beispiel Empathie – mit denen sich viele Führungskräfte schwer tun, aber in uns schlummern menschliche Potenziale, die wir bisher kaum anzapfen mussten. Wer möchte, kann übrigens gleich einmal selbst den Test machen, wie er seine eigenen 12 Minds of Modern Leadership einschätzt und wo er gerade als Führungskraft steht.
Welche Führungskräfte wünschen sich Teams und Mitarbeiter eigentlich heute? Steht da eher der rationale oder der mitfühlende Chef hoch im Kurs?
In einer Studie in 2021 von Boston Consulting wurden 4.000 Teilnehmer gefragt, welche Eigenschaften ihnen bei Führungskräften wichtig sind: Herz, Hand oder Kopf. Aus Sicht der Organisation war der Kopf am wichtigsten, für Mitarbeiter die menschlichen Qualitäten, also das Herz. Interessant ist die unterschiedliche Betrachtungsweise von Organisation und Mitarbeitern. Meines Erachtens nach ist es ein Zusammenspiel aus allem, was menschliche Führung ausmacht.
Mit dem Kopf führen heißt, sich Fragen zu stellen wie: Bin ich mir als Führungskraft eigentlich meiner Denkmuster bewusst? Wie führe ich, wenn ich unter Druck stehe? Bin ich eigentlich Fahrer oder Beifahrer meines Geistes? Habe ich meine Gedanken und Emotionen eigentlich im Griff? Kann ich mein Ego auch zurückstellen? Wie viel Status ist mir wichtig?
Mit der Hand führen bedeutet, die Tatkraft als Eigenschaft menschlicher Führung einzusetzen: Produktivität ist für mich ein wichtiges Ergebnis von Tatkraft. Tatkraft wird gerne mit Geschäftigkeit verwechselt … Aus Studien wissen wir, dass wir rund 50% unseres Tages abgelenkt sind und uns mit nicht zielführenden Dingen beschäftigen.
Tatkraft setzt zum Beispiel einen Arbeitsansatz voraus, der produktives Arbeiten übethaupt möglich macht. Wie gestalten wir unsere Meetings? Ist der Planungs- und Zielsetzungsprozess wie jedes Jahr derselbe? Täglich grüßt das Murmeltier, oder können wir auch fokussiert, konzentriert, kreativ und achtsam arbeiten? Spielt Gesundheit eine nachgelagerte Rolle, angereichert mit etwas BGM (betriebliches Gesundheitsmanagement), oder integrieren wir mentale Gesundheit, Ernährung, Bewegung und unseren Umgang miteinander?
Herz, Hand oder Kopf sind alle Bestandteil des „Inner Game.“
Peter Schmidt
Mit dem Herzen oder menschlichen Qualitäten zu führen wird laut Studien immer wichtiger. Häufig wird diese Eigenschaft als Weichheit abgetan. Oder: Wer Herz zeigt, ist nicht so produktiv. Empathie oder Mitgefühl gehören für viele Führungskräfte noch nicht in den Alltag von Führung. Aber sie werden immer mehr eingefordert, besonders von der „jüngeren“ Generation.
Herz, Hand oder Kopf sind alle Bestandteil des „Inner Game.“ Viele Führungskräfte haben möglicherweise Angst davor sich mit ihrem „Inner Game“ auseinanderzusetzen, denn dann kommen Fragen hoch, die uns alle interessieren, aber möglicherweise uns noch nie gestellt haben, wie z.B.
- Was ist mein Purpose? Welchen Beitrag möchte ich leisten? Ist mein Purpose im Einklang mit meiner Rolle als Führungskraft?
- Wie komme ich aus dem Hamsterrad heraus und kann mir endlich die Fragen stellen, die unter der ganzen Geschäftigkeit liegen?
- Wie geht es mir eigentlich wirklich? Wie gesund ist meine Führung? Wie mental gesund sind unsere Mitarbeiter? Wie resilient bin ich und meine Kollegen?
Meiner Erfahrung nach lohnt es sich für jede Führungskraft, sich diese Fragen zu stellen. Sie werden überrascht sein, wie sich Führung verändert, wenn sich Ihr “Inner Game” und Mindset verändert.
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